Ein Roboter und ein Teemönch auf der Suche nach dem Sinn des Lebens.
Becky Chambers gilt als eine der größten Entdeckungen der letzten Jahre im Bereich utopischer Science Fiction. Sie ist bekannt geworden mit ihrer großartigen Wayfarer-Quadrilogie; Ihre Novelle „Ein Psalm für die wild Schweifenden“ hat 2022 hat einen Hugo Award gewonnen – einen der prestigeträchtigsten Literaturpreise im Bereich Science-Fiction – und gehört auch deswegen vermutlich zu den bekanntesten Solarpunkgeschichten.
Dex und Helmling
Geschwister Dex hat Probleme, sieren Platz in der idyllischen Gesellschaft auf dem Mond Panga zu finden; selbst siere Tätigkeit als Teemönch, in der Dex von Dorf zu Dorf reist und gestressten und unglücklichen Mitmenschen Tee und seelischen Beistand anbietet, kann sien nach einer Weile nicht mehr erfüllen, und sien quälen Stress und Gewissensbisse, weil sier das Gefühl hat, deshalb nicht genug beizutragen (dieses Gefühl scheint also das Ende des Kapitalismus zu überdauern). Dex beschließt, in der Wildnis zu reisen in der Hoffnung, dort Erleuchtung zu finden. Auf dem Weg trifft Dex auf einen Roboter namens Helmling (benannt nach der Pilzart); die Roboter von Panga leben seit mehreren hundert Jahren fernab der Zivilisation in der Wildnis, und Helmling ist der erste seiner Art, der die Wildnis verlassen hat, um Menschen und ihre Bedürfnisse zu studieren. Dex und Helmling beschließen ihre Reise gemeinsam fortzusetzen, und diese ist zwar nicht konfliktfrei, aber geprägt von herrlich philosophischen Gesprächen über den Sinn des Lebens, den Ursprung von Bewusstsein und ihre jeweiligen Kulturen.
Panga ist ein Wohlfühl-Ort
Die Bewohner:innen Pangas haben gelernt, einfacher, im Einklang mit den natürlichen Grenzen, und trotzdem genussvoll zu leben. Auch ihr Umgang miteinander hat sich dadurch verändert; Kooperation, Empathie und Verständnis prägen die meisten Begegnungen der Charaktere. Die Dörfer, die Dex besucht, sind eine wunderschöne Mischung aus High- und Lowtech, in der die Bedürfnisse der Menschen ohne Ausbeutung erfüllt werden können:
Obwohl ser schon unzählige Male hier vorbeigekommen war, blickte Dex unwillkürlich zu den Behausungen hoch, die über den Pfad an den Bäumen hingen. […] Die hängenden Häuser hier ähnelten Muscheln, die jemand aufgeschnitten hatte, sodass sich ihre sanfte Geometrie offenbarte. Alles hier war geschwungen – die Dächer, die Schutz vor dem Regen boten, die lichtdurchlässigen Fenster, die Brücken, die wie Schmuck dazwischen hingen. Das gesamte Holz stammte von baufälligen Häusern, die nicht mehr gebraucht wurden, oder von Bäumen, bei denen nur Schlamm und Schwerkraft nötig waren, um sie zu Fall zu bringen. […] Die praktischen Annehmlichkeiten des Dorfes waren allgegenwärtig – elektrische Flaschenzüge, die schwere Gegenstände nach oben oder unten beförderten, Notleitern, die in Windeseile heruntergelassen werden konnten, bauchige, außen an den Küchen angebrachte Biogasanlagen -, doch jedes Haus hatte seinen eigenen Charakter, trug die Handschrift seines Erbauers.
Die dunkle Vorgeschichte
Im Laufe der Geschichte lernen Leser:innen auch mehr über die Geschichte des Mondes: Bis vor einigen Jahrhunderten war Panga noch eine schmutzige Industriegesellschaft, in der Mensch und Natur ausgebeutet wurden. In den Fabriken übernahmen Roboter die schwerste Arbeit, bis diese eines Tages ein Bewusstsein entwickelten, die Städte verließen und mit den Menschen ein Abkommen aushandelten, in dem die Hälfte des Mondes den Robotern, Tieren und Pflanzen überlassen wird.1 Hier zeigt sich leider auch eine Schwäche des Buchs, denn wenn die Roboter als Metapher für Arbeiter:innen oder auch fossile Energien fungieren sollen, ist der Prozess, der zum Ende ihrer Ausbeutung führt, entschieden zu simpel. Wem gehörten denn die Fabriken und Roboter auf Panga? Hat alleine die Erkenntnis über deren Bewusstsein gereicht, um die Forderungen zu akzeptieren und sie ziehen zu lassen? An dieser Stelle lässt sich Psalm zu sehr von der positiven Grundstimmung seiner eigenen Geschichte einlullen – dabei wäre es völlig möglich gewesen, den Transformationsprozess konfliktreicher zu gestalten, ohne die angenehme Gegenwart des Mondes unglaubwürdig zu machen.
Insgesamt ist die Novelle eine wundervolle Wohlfühl-Geschichte, in der die Gesellschaft ihre problematischen Aspekte überwunden hat und man sehen kann, wie wunderbar das Zusammenleben in einer voll entfalteten Solarpunk-Welt aussehen könnte.
- Ein ähnlicher Vorschlag – ohne Roboter – wird interessanterweise seit einiger Zeit unter dem Titel Half-Earth Socialism diskutiert: Darin wird argumentiert, dass diese Maßnahme sowohl das Artensterben eindämmen als auch die Entwicklung neuer Pandemien stark einschränken würde. ↩︎

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