Meine Solarpunk-Theorie des Wandels

Eine Theorie des Wandels ist eine Vorstellung davon, wie genau ein Projekt dazu beitragen kann, die Welt zum Positiven zu verändern. Dabei beantwortet man eine Reihe von Fragen, um die Wirkung und das Vorgehen im Projekt klarer zu bekommen. Ich habe das mal für meine Vorstellung von Solarpunk gemacht und teile das hier mit euch!

Was ist die Vision?

Phase 1: Eine Kultur, die viele Abbildungen von wünschenswerten Zukünften hat

Phase 2: Starke Bewegungen, die imstande sind, diese Zukünfte herbeizuführen

Phase 3: Eine egalitäre, postkapitalistische Weltgesellschaft, die innerhalb der planetaren Grenzen wirtschaftet

Welches Menschenbild liegt ihr zugrunde?

Im Grunde sind Menschen gut. Kooperation ist uns in die Gene geschrieben. Wir sind empathisch und lieben es, anderen zu helfen, und es schmerzt uns, wenn es anderen nicht gut geht. Natürlich gibt es hier relativierende Faktoren (zum Beispiel, ob Menschen als Teil der eigenen Gruppe angesehen werden, oder wie entspannt oder gestresst unser Nervensystem ist).

Menschen wollen nicht die doofen sein, die von anderen ausgenutzt werden. Sie brauchen ein gewisses Maß an Vertrauen, um selber auch in Vorleistung zu gehen.

Menschen haben nur begrenzte Aufnahmefähigkeit für Zahlen und Fakten; Geschichten und Bilder wirken deutlich stärker.

Die Vorstellungskraft von Menschen für mögliche Zukünfte hängt ab von den Geschichten, die sie kennen.

Visionen und attraktive Zukunftsbilder helfen Menschen dabei, auf sie hinzuarbeiten und motiviert zu sein. Individuell können sich die meisten gute Zukünfte für sich vorstellen und deswegen auch daran arbeiten. Kollektiv ist das schwieriger.

Welche Rolle spielen Macht und Herrschaft?

Macht heißt, andere überzeugen zu können, etwas Bestimmtes zu tun. Das ist erstmal wertneutral, und es hängt davon ab, wie genau diese Überzeugung stattfindet (mit Argumenten, oder durch Zwang, oder sogar mit Gewalt), und welche Handlungen damit herbeigeführt werden sollen.

Macht ist unter Menschen ungleich verteilt. Je mehr Privilegien Menschen haben, desto größer ist tendenziell ihre Macht.

Herrschaft ist auf Dauer gestellte Macht. Das ist problematisch, weil sie oft zu schlechten Entscheidungen führt, die die Bedürfnisse der Menschen unten in der Hierarchie nicht berücksichtigen.

Eine spezielle und unterschätzte Form von Macht besteht darin, überzeugende Geschichten zu erzählen.

Was sind die Ursachen gesellschaftlicher, ökologischer Probleme?

Kapitalismus bedeutet Herrschaft des Kapitals – also simpel gesagt von Geld, das zu mehr Geld werden soll. Diese Logik steht oft in einem Zielkonflikt mit anderen Zielen – zum Beispiel die planetaren Grenzen zu wahren, oder allen Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen.

Wachstumslogik ist uns spätestens seit der Aufklärung eingeschrieben – wir erwarten, dass alles immer besser und mehr wird. Das ist nicht realistisch – und mit einem begrenzten Planeten nicht machbar. Wir müssen lernen, wieder mehr in Kreisläufen zu denken.

Herrschaft ist, wie oben erwähnt, ein Hindernis für kluge kollektive Entscheidungen.

Ungleichheitsideologien wie Rassismus, Sexismus, Ableismus und andere teilen Menschen in fiktive Gruppen ein und werden dazu genutzt, Ungerechtigkeiten zu entschuldigen, zu verstetigen und die Privilegien einiger weniger aufrechtzuerhalten.

Gibt es Orte, an denen Wandel in besonderer Weise abläuft?

Es gibt viele Orte, an denen Menschen aus ihrer Vereinzelung ausbrechen, Solidarität erfahren und einen Eindruck davon bekommen, wie das gute Leben für Alle in Zukunft aussehen könnte.

Dazu gehören zum Beispiel Gemeinschaftsgärten, Bibliotheken und Umsonstläden, wo der bestehende Überfluss unserer Gesellschaft deutlich wird;

Solidarische Landwirtschaften und Kollektivbetriebe, die Mitbestimmung und Demokratie in der Wirtschaft etablieren;

und Repair-Cafés und Makerspaces, an denen Menschen selber aktiv und zu Expert:innen ihres eigenen Besitzes werden.

Wer sorgt für den Wandel?

Viele Menschen überall auf der Welt! Im Fall von Solarpunk sind das zum Beispiel Gärtner:innen, Ingenieure, Programmierer:innen, Bibliothekar:innen… Oft sind es auch einfache Menschen, die in ihrem eigenen Umfeld solidarische und demokratische Strukturen aufbauen und fördern.

Eine besondere Rolle nehmen Geschichtenerzähler:innen und Künstler:innen ein, denn sie verbinden die vielen einzelnen Facetten von Solarpunk zu einem großen Ganzen und machen dieses Gesamtbild für viele andere erlebbar.

Welche Prozesse und Mechanismen unterstützen den Wandel?

Die Digitalisierung ermöglicht seit einigen Jahren eine Verbindung der gesamten Menschheit, kollektive Entscheidungen und ein Ausmaß an kollektivem Wissenszugang, das bis vor wenigen Jahren niemand für möglich gehalten hätte.

Die Energiewende macht es möglich, einen relativ hohen Lebensstandard für alle Menschen zu schaffen, ohne die planetaren Grenzen zu sprengen – und die Hoheit über die Stromerzeugung einzelnen Menschen zu geben, statt sie Konzernen zu überlassen.

Neue Technologien wie 3D-Drucker, Automatisierung, Drohnen und Künstliche Intelligenz kommen zur Reife und schaffen die Möglichkeit einer drastisch erhöhten Produktivität bei gleichbleibendem oder sogar sinkendem Ressourcenverbrauch (dazu müssen wir sie uns aber aneignen und sie der Kapital-Logik entziehen).

Ein Gedanke zu “Meine Solarpunk-Theorie des Wandels

Hinterlasse einen Kommentar