Ist Star Trek Solarpunk?

Lebt lang und in Frieden! Star Trek ist eins der bekanntesten Science-Fiction-Universen. In 11 Serien, 12 Filmen und unzähligen kleineren Formaten erzählt es eine utopisch-hoffnungsvolle Geschichte von der Zukunft der Menschheit. Aber kann man es deswegen schon als Solarpunk bezeichnen?

Die Star-Trek-Insignie. Bruce the Deus, CC-BY-SA 4.0

Utopie und Hoffnung sind nicht alles, was Solarpunk ausmacht! Welche Faktoren dafür sprechen, Star Trek als Solarpunk zu klassifizieren, und welche dagegen, lest ihr in diesem Artikel. Außerdem gibt es am Ende noch einige offene Fragen.

✅ Jenseits des Kapitalismus

Eins vorweg: Star Trek spielt – je nach Serie – in einer Zukunft zwischen dem 23. und 32. Jahrhundert. Seit unserer Zeit ist also viel passiert. Verschiedene Charaktere in Star Trek merken zum Beispiel regelmäßig an, dass Geld, das Streben nach Reichtum – und somit auch Armut – der Vergangenheit angehören. Menschen arbeiten zwar noch (gerade die Hauptcharaktere der Serien sind tendenziell alle hoch motivierte Workaholics) – aber nur aus eigenem Antrieb, um für sich und andere eine bessere Zukunft zu schaffen.

Die Abschaffung des Geldes wird zumeist mit der Technologie der Replikatoren erklärt – hoch entwickelte 3D-Drucker, die auf molekularer Ebene arbeiten und so alles von Essen über Kleidung bis hin zu Ersatzteilen und Baumaterial drucken können. Auf diese Weise hat die Menschheit materielle Knappheit überwunden, Eigentum ist für die meisten Menschen kaum noch relevant und Geld wurde somit überflüssig.

Ein schönes Gedankenspiel – allerdings erfahren die Zuschauer:innen nie, wie die Ökonomie stattdessen organisiert ist: Wie ist der Zugang zu Ressourcen geregelt? Hat jede Familie (oder sogar jede Person) einen eigenen Replikator? Welche Mechanismen werden genutzt, um Arbeit zu organisieren? Diese und weitere Fragen bleiben in den Serien offen.

✅ Begegnungen auf Augenhöhe

Die Sternenflotte, auf deren Schiffen die meisten Serien stattfinden, hat den Auftrag, das All zu erkunden und neue Welten zu erforschen. Dabei begegnen die Protagonist:innen regelmäßig auch Kulturen, Gruppen und Individuen, die ihnen nicht unbedingt freundlich gesinnt sind. Anstatt dass diese Begegnungen in Weltraumschlachten ausarten (die gibt es auch, aber im Vergleich zu anderen Serien erstaunlich selten), bemüht sich das Sternenflottenpersonal darum, friedliche Lösungen zu finden.

Tatsächlich besteht ein klassischer, regelmäßig wiederkehrender Plot darin, dass eine scheinbare Bedrohung durch bisher unbekannte Lebensformen abgewendet wird, indem deren Bedürfnisse erkannt und Wege zur Kommunikation gefunden werden.

Für Zivilisationen, die noch keinen Warpantrieb zur Reise mit Überlichtgeschwindigkeit erfunden haben, gilt die Erste Direktive: Die Sternenflotte muss ihre Existenz vor ihnen verbergen und darf sie nicht kontaktieren, um sie nicht durch ihre technologische Überlegenheit zu beeinflussen oder in ihre Entwicklung einzugreifen.

All diese Herangehensweisen lassen die Sternenflotte als Institution erscheinen, die sich bemüht, auf Augenhöhe mit fremden Kulturen zu agieren. Gerade wenn man das mit der Kolonialgeschichte der Menschheit kontrastiert, erscheint das wie eine wünschenswerte Entwicklung.

✅ Vielfältiger Cast

Unendliche Vielfalt in unendlichen Kombinationen ist ein Credo der Vulkanier in Star Trek, um Diversität willkommen zu heißen; und auch sonst war Star Trek als Produktion von Anfang an darum bemüht, gesellschaftliche Stereotype aufzubrechen.

Schon in der ersten Serie dienten Menschen mit asiatischen, afrikanischen, russischen und europäischen Wurzeln gemeinsam auf der Enterprise. Die Serie zeigte zudem den ersten Kuss zwischen einer Weißen und einer Schwarzen Person im Fernsehen, was in den 60er Jahren für viel Wirbel und teilweise Zensur sorgte.

Martin Luther King persönlich überzeugte die schwarze Schauspielerin Nichelle Nichols, Teil der Serie zu bleiben, als diese überlegte aufzuhören; seiner Meinung nach war die Darstellung einer Schwarzen Frau als gleichwertiges Besatzungsmitglied revolutionär und wichtig für das Selbstbewusstsein der damaligen Bürgerbewegung.

Seit der ursprünglichen Serie haben weitere Produktionen diesen Weg der Diversität fortgesetzt: Es gab in den neunzigern Kapitäne, die weiblich (Janeway in Voyager) oder Schwarz (Sisko in Deep Space Nine) waren; es gab behinderte Charaktere (LaForge in Das Nächste Jahrhundert); und mit der neuesten Ära kam eine Schwarze Frau als Captain sowie offen homosexuelle, nichtbinäre und Trans-Charaktere (Discovery).

❎ Star Fleet ist rigide und korrupt

Die Sternenflotte hat zwar wie zuvor beschrieben hehre Ideale; allerdings ist sie gleichzeitig auch eine extrem hierarchische und rigide Organisationen, die streng nach von der US-Navy inspirierten Kommandoketten agiert. Auf der obersten Kommandoebene haben sich über die Jahre so viele Admirale als korrupt herausgestellt, dass dies in der Fangemeinschaft schon ein running gag geworden ist; manchmal scheint es so, als wollten die Produzent:innen hier eine unterschwellige, anarchistisch inspirierte Hierarchiekritik einbauen.

Die wohl problematischste Abteilung der Sternenflotte ist Sektion 31 – eine mächtige Geheimdienststruktur, die niemandem Rechenschaft schuldig ist und völlig losgelöst von den sonstigen Hierarchien agiert. Deren Existenz wird regelmäßig durch die Tatsache begründet, dass die Föderation umgeben von Imperien und sonstigen autokratischen Systemen umgeben ist, die ja schließlich auch Geheimdienste hätten. Dieses Dilemma – wie kann eine von außen bedrohte Zivilisation Sicherheit schaffen, ohne dabei ihre Werte aufzugeben? – wird insbesondere in Deep Space Nine und Discovery thematisiert, lässt aber im Hinblick auf die Kritik zu wünschen übrig.

❎ Das Energieproblem

Die im ersten Abschnitt erwähnten Replikatoren, aber auch die Raumfahrt selber fressen eine Unmenge Energie. Diese wird in Star Trek in erster Linie durch Antimaterie-Reaktoren hergestellt – eine Technologie, die von Physiker:innen grundsätzlich für möglich gehalten wird, die aber auch (ähnlich wie fossile Energien heute) starke zentralistische Infrastrukturen mit sich bringen würde.

Anders als bei Solarpaneelen und Windkraft ist es hier kaum möglich, die Energieversorgung zu dezentralisieren. Diese Dezentralisierung ist aber Kernbestandteil von Solarpunk – und zwar nicht nur, um die Versorgung sicherer vor Katastrophen und Hackerangriffen zu gestalten, sondern auch, weil zentralisierte Strukturen dazu tendieren, Machtverhältnisse und Abhängigkeiten zu schaffen. Star Trek zeigt somit auch, dass eine Wirtschaft jenseits der Knappheit letztendlich nicht zu erreichen ist, wenn die Bedürfnisse – und mit ihnen der Energie- und Materialbedarf – immer weiter steigen.

❓ Wie geht es den einfachen Menschen?

Weil die meisten Serien auf den Schiffen der Sternenflotte (und damit unter einer auserwählten Elite) spielen, wissen wir nur sehr wenig über das Leben der einfachen Menschen in diesem Universum. Wie ist Ressourcenzugang für sie organisiert? Wie funktioniert das politische System? Wie sieht der Alltag aus?

Es wäre nicht das erste System, in dem der rosige Blick der Eliten von oben letztendlich nicht die Realitäten des Fußvolks widerspiegeln. Als Plot-Twist wäre das zwar zu platt und ausgelutscht; trotzdem wäre es schön, mal eine Serie zu bekommen, in der das planetare Leben detaillierter gezeigt wird. Die animierte Serie Lower Decks, in der die Hauptfiguren einfache Besatzungsmitglieder eines zweitrangigen Schiffes sind, ist hier schon ein guter Anfang.

❓ Post-Apokalypse

Die Geschichte von Star Trek findet nach einem dritten Weltkrieg statt, der einen Großteil der Menschheit ausgelöscht und massive Ökosystem-Schäden verursacht hat. Die Gräuel des Krieges haben letztendlich dazu geführt, dass die verbliebene Menschheit zu planetarer Einigkeit gefunden hat. Schön für sie – aber ist das wirklich der einzig mögliche Weg in eine bessere Zukunft? Solarpunk lebt auch von der Hoffnung, die kommenden (und bereits bestehenden!) Katastrophen für die Menschheit so klein wie möglich zu halten.

❓Welche Serie ist am ehesten Solarpunk?

Das ist gar nicht so leicht zu sagen! Discovery hat auf jeden Fall den diversesten Cast, und gerade die dritte und vierte Staffel sind sehr vom Thema Wiederaufbau von Vertrauen und Beziehungen nach schweren Zeiten geprägt. Das Ethos der Gewaltfreiheit wird meiner Meinung nach am ehesten in Das Nächste Jahrhundert berücksichtigt.

Und zum Schluss…

… noch eine Idee, wie Star Trek aussehen könnte, wenn die Macher:innen voll auf Solarpunk-Vibes setzen würden!

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