Legend of Zelda – wie Solarpunk ist Hyrule?

Ist der neueste Eintrag in Nintendos Action-Adventure-Serie The Legend of Zelda ein Beispiel für Solarpunk in Videospielen?

The Legend of Zelda ist eine der ältesten und erfolgreichsten Videospielserien aller Zeiten. Der erste Titel wurde im Jahr 1986 auf dem Nintendo Entertainment System veröffentlicht; insgesamt umfasst die Serie 20 Haupttitel sowie eine ganze Reihe von Ablegern. Bis vor einigen Jahren waren die Spiele meistens sehr gute, aber storymäßig etwas altbackene Action-Adventures: Der stumme Protagonist Link erkundet die Welt, löst Rätsel, kämpft, und rettet meistens am Ende die Prinzessin. So weit, so generisch. Aber seit 2017 zeigt sich Nintendo etwas experimentierfreudiger mit der Serie; und der neueste Titel, Tears of the Kingdom, der 2023 erschien, hat tatsächlich einige Elemente, die mich stark an Solarpunk erinnert haben. Was dafür spricht, das Spiel als Solarpunk zu klassifizieren, und was eher dagegen spricht, lest ihr in diesem Artikel.

✅Postapokalyptischer Wiederaufbau

Das Spiel ist im fiktiven Land Hyrule angesiedelt, das in der Vergangenheit einiges durchmachen musste. Der Vorgänger des Spiels, Breath of the Wild, findet kurz nach einem vernichtenden Krieg statt, in dem eine böse Macht die Kontrolle über Hyrules automatisierte Waffensysteme übernommen hatte. Das Spiel hat einen starken postapokalyptischen Vibe und ist noch deutlich von dem Konflikt gezeichnet.

Letztendlich gelingt es den Hylianer:innen, die Waffensysteme zurückzudrängen, und sie beginnen mit dem Wiederaufbau des zerrissenen Landes. Tears of the Kingdom spielt einige Jahre nach Breath of the Wild, und tatsächlich hat sich seitdem viel im Landschaftsbild getan: Städte wurden repariert oder neu gegründet; es gibt regen Verkehr auf den Straßen zwischen den Siedlungen. Alles wirkt viel lebendiger als im Vorgänger, und eine Protagonistin hat tatsächlich in einer der Städte eine neue Schule gegründet – ein deutliches Zeichen für den hoffnungsvollen Blick in die Zukunft. In beiden Teilen werden große Teile des Landes der Wildnis überlassen und von den Menschen nicht angetastet.

Ein weiteres Solarpunk-Indiz ist die Kombination von Niedrig- und Hochtechnologie. Ackerbau geschieht in Handarbeit, Pferde und Segelboote werden zum Transport genutzt; aber an einigen Stellen nutzen Menschen auch Heißluftballons, elektrisch betriebene Fahrzeuge und digitale Hilfsmittel.

✅Jagen, Sammeln, Kochen, Basteln

Der Protagonist Link verbringt einen relativ großen Teil seiner Zeit mit Tätigkeiten, die in einer Solarpunk-Welt auch zum Alltag gehören würden: Er geht jagen und sammeln, und kocht aus den so gewonnenen Ressourcen Gerichte. Eine große Neuerung des Spiels ist zudem das Crafting-System, mit dem man aus umher liegenden Gegenständen Fahrzeuge oder sonstige Geräte bauen kann – das erinnert schon stark an den Do-it-yourself-Geist, der auch in Solarpunk eine große Rolle spielt. Viele dieser Materialien findet man in Depots, die vom Königshaus Hyrule im ganzen Land aufgestellt wurden, um den Wiederaufbau zu unterstützen – der (Green) New Deal lässt grüßen!

✅ Autonome, verbundene Gemeinschaften

Innerhalb von Hyrule wohnen verschiedene Völker, von denen die meisten autonom, aber in friedlicher Koexistenz leben. Neben verschiedenen Siedlungen der Hylianer:innen gibt es die fischähnlichen Zora, das Bergvolk der Goronen, die Gerudo (eine nur aus Frauen bestehendes Volk, das in der Wüste lebt) und die Vogelwesen Rito. Zwischen diesen Völkern gibt es regen Austausch, und es ist nicht ungewöhnlich, Angehörige eines Volkes in den Dörfern der anderen zu finden.

Die Hauptstory führt Link zu jeder der Gemeinschaften, weil diese mit Naturkatastrophen und anderen Problemen zu kämpfen haben und Hilfe benötigen. So hilft der Spieler den Rito dabei, eine Brücke nach einem Blizzard zu reparieren, findet die Ursache für die Verschmutzung der Zora-Gewässer und unterstützt die Gerudo, die mit einem Sandsturm zu kämpfen haben. Im Gegenzug unterstützen diese wiederum am Ende die Hylianer:innen. Das ist gegenseitige Hilfe in Reinform, und auch die Zukunft unserer menschlichen Zivilisation wird stark geprägt sein von der Frage, inwiefern wir es schaffen, vom Klimawandel betroffene Weltregionen zu unterstützen – oder ob wir sie sich selbst überlassen.

❎ Einzelkämpfer-Held

Tears of the Kingdom hat zwar einige Schritte in die richtige Richtung gemacht – Prinzessin Zelda hat in diesem Teil eine sehr aktive Rolle, statt auf ihre Rettung zu warten – aber so richtig kann es auch nicht aus seiner Struktur ausbrechen. Link ist nach wie vor heroischer Einzelkämpfer, der das Böse bekämpft (welche Wesen böse sind und welche nicht, ist vorab klar, auch wenn viele der sogenannten Monster auch in Siedlungen oder gemeinschaftlichen Strukturen leben). Konflikte werden grundsätzlich mit Gewalt gelöst. Link ist in den Städten und Dörfern nur ein (hilfreicher) Besucher; er ist nicht eingebunden in das Sozialleben und die Gemeinschaften, die in der Solarpunk-Literatur so eine zentrale Rolle einnehmen. Ein stärkerer Rollenspiel-Anteil und weitere Anreize, Beziehungen zu Menschen aufzubauen, würden hier helfen.

❎ Hierarchien, wo man hinschaut

Der Titel deutet es schon an: Hyrule ist ein Königreich, und auch alle anderen Völker sind hierarchisch und autokratisch organisiert. Könige, Häuptlinge und Anführer:innen, wo man hinschaut; keine Spur von demokratischen Strukturen oder auch nur beratenden Ältestenräten. Tatsächlich glaube ich, dass unser Eindruck vom Mittelalter (und das ist letztendlich das Setting von Zelda, auch wenn es seit kurzem fortgeschrittenere Technologien aus längst vergangenen Zeiten gibt) allgemein extrem stark von solchen Bildern geprägt ist – es gibt Könige und König:innen, Prinzen und Prinzess:innen, und die haben Ritter, die irgendwie gegen das Böse kämpfen. Dass das tatsächliche (europäische) Mittelalter stark von relativer Autonomie insbesondere der Stadtbevölkerung, von kollektiven Gilden und demokratisch verwalteten Gemeingütern geprägt war, hat sich in der Populärkultur in keiner Weise herumgesprochen.

❎ Technologie ist magisch

Tears of the Kingdom kombiniert wie erwähnt gekonnt alte und fortgeschrittene Technologien. Letztere stammen aus der inzwischen verschwundenen Zivilisation der Zonai (und sind somit eigentlich auch die älteren 🤯) und bestehen aus modularen Einzelstücken wie Rädern, Heißluftballons, Lenkrädern und Flügeln, die zu größeren Konstrukten zusammengesetzt werden können. So weit, so solarpunk! Leider verpasst das Spiel die Chance, diese Technologien fundiert in die Welt einzubetten. Die notwendige Energie für die Konstrukte kommt aus Batteriemodulen, die einfach verschwinden, sobald sie leer sind. Es wäre nicht so schwierig gewesen, hier Ladestationen und erneuerbare Energiequellen einzubauen, aber das hätte den Entwicklern wohl zu sehr den Mittelalter-Vibe der Dörfer ruiniert. Außerdem nutzen nur sehr wenige Charaktere im Spiel diese Technologien: Neben dem Hauptcharakter Link gibt es noch zwei Bastler:innen und den mafia-ähnlichen Yiga-Clan, die das tun. Die Hoffnung, dass geteilte und offen zugängliche Technologien den Lebensstandard aller Bewohner:innen heben, wird hier enttäuscht.

Fazit

Ist Tears of the Kingdom nun Solarpunk? Insgesamt würde ich sagen: Leider nein – aber es hat Schritte in diese Richtung gemacht. Tatsächlich bin ich mir auch unsicher, inwiefern Fantasy-Settings mit mythischen Kreaturen und Magie überhaupt Teil des Genres sein können, oder ob diese besser unter Hopepunk verortet werden sollten. In jedem Fall wäre ein Solarpunk-(Video)Spiel aber ein großartiges Medium, um den Alltag einer solchen Welt zu erforschen!

2 Gedanken zu “Legend of Zelda – wie Solarpunk ist Hyrule?

  1. Avatar von curious_reader curious_reader schreibt:

    Ich denke man kann durchaus eine Brücke von Zelda zu Solarpunk schlagen. Lass mich
    dir noch ein paar weitere Dinge in die Hand geben um die Brücke noch etwas aus
    zubauen.
    Zum einen können wir an diesen Videos sehen das eine starke Inspiration von zelda –
    Breath of the wild durch die Werke von Studio Ghibli gab:
    https://www.youtube.com/watch?v=2fPz7kGduT48
    https://www.youtube.com/watch?v=gtDPr2hcyZY
    Das bringt uns zu Studio Ghibli aber wie könnten wir von dort zu Solar Punk kommen?
    ch denke einer der wichtigsten Punkte bei Solar punk ist der bessere Umgang mit –
    Technologie -. Hierzu gibt es natürlich eine Menge Material mit einer eigenen Richtung
    in der Philosophie. Ein Philosoph der da zu ebenfalls geschrieben hat war Martin
    Heidegger. In seinem Aufsatz: Frage nach der Technik
    https://en.wikipedia.org/wiki/The_Question_Concerning.Technology
    (Leider gibt es keine deutsche wikipedia seite hierfür)
    Heidegger zu lesen ist recht schwer, selbt wenn man ihn als deutscher Muttersprachler
    ließt. Er erschafft sich seine eigene Begriffswelt und gestaltet diese munter aus.
    Doch auch hier kann uns Youtube zur Hilfe kommen:
    https://www.youtube.com/watch?v=4wCY9SqyVoo
    A Heideggerian Analysis of Studio Ghibli’s Films
    Ich sah die Studio Ghibli Filme mit meinen Freunden ca. von 2000 bis 2010. Häufig
    fanden wir darin eine – angenehme – Atmosphäre. Obwohl wir alle aus dem
    Ingeneurbereich stammen vermittelten die Filme nie Prinzipien von Ausbeutung oder
    stetiger Beschleunigung. Im Gegenteil. Nach dem ich das Video oben vor 2 Jahren sah
    half es mir noch einmal anders in Worten auszudrücken was es ist das ich so an Studio
    Ghibli Filmen schätze. Die schwierige Philosophie Heideggers wird hier in intuitiven
    Geschichten erzählt. Diese Kernqualitäten finden wir in Heideggers Technik Prinzipien
    wieder und sind meiner Meinung nach auch tief verwurzelt in – Solar Punk –
    Niemand möchte in eine Welt ohne Technologie zurück gehen. Aber wir sollten unsere
    Beziehung zur Technik/Technologie überdenken
    Zelda und Studio Ghibli, Heideggers Technik Prinzipien und Solar punk können uns
    dabei helfen.

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    • Avatar von solarpunk solarpunk schreibt:

      Wow, spannender Deep Dive!

      Mit Heidegger hab ich mich noch nicht viel beschäftigt.

      Und ich wusste auch nicht, dass die Ghibli-Filme Zelda beeinflusst haben – ergibt Sinn!

      Danke!

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