Solarpunk und solidarisches Prepping setzen beide auf den Aufbau widerstandsfähiger, solidarischer Strukturen in Krisenzeiten. Zwar wirken ihre Ansätze ansonsten eher unterschiedlich: Prepping geht vom Schlimmsten aus und zeigt Wege auf, um Grundbedürfnisse auch in instabilen Zeiten zu sichern; Solarpunk entwirft mittels Kunst und Geschichten konkrete, wünschenswerte Zukunftsszenarien. Aber gerade deswegen könnten sich beide Bewegungen gut ergänzen.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, Prepping und Solarpunk hätten wenig miteinander zu tun: Solarpunk assoziieren die meisten mit positiven, hoffnungsvollen Zukunftsentwürfen, oft in Form von Kunst, Literatur oder Architektur; und Prepping geht erstmal vom Schlimmsten aus und beschäftigt sich mit der materiellen Bereitstellung von essenziellen Gütern. Völlig verschiedene Konzepte also?
Missverständnisse
Vielleicht müssen wir erstmal ein paar Missverständnisse ausräumen. Solarpunk hat zwar in den letzten Jahren über Bilder von begrünten, von Solar- und Windkraft angetriebenen Städten Bekanntheit gewonnen; und die vermutlich bekannteste Geschichte des Genres, Dex und Helmling, ist tatsächlich eher auf der utopisch-kuscheligen Seite des Spektrums.
Gleichzeitig ist den meisten Aktiven in dieser Bewegung aber auch klar, dass diese Zukünfte angesichts der heutigen Zustände alles andere als sicher sind. Im Gegenteil: Die nahe Zukunft wird für viele hart bis tödlich – und zwar umso mehr für diejenigen, die wenig Privilegien haben. Das heißt nicht, dass wir jegliche Hoffnung auf solidarische Gemeinschaften in der Zukunft aufgeben müssen. Aber diese müssen aufgebaut und verteidigt werden. Im Solarpunk sind die Orte, wo das heute bereits passiert, Nachbarschaftsgärten und Makerspaces, Solidarische Landwirtschaften und Büchereien, Umsonstläden und Projekthäuser. Das inoffizielle Motto könnte auch heißen: Come for the pretty pictures – stay for the fight for justice.
Auch Solidarisches Prepping hat mit einem verzerrten Bild zu kämpfen: Anders als bei rechten, paranoiden Einzelkämpfern, die das mediale Bild von Prepping dominieren, steht hier gerade nicht der eigene Bunker mit möglichst viel Feuerkraft im Mittelpunkt. Vielmehr geht es darum, zugängliche und zuverlässige Strukturen und Netzwerke aufzubauen, die auch in Zeiten von Entsolidarisierung und regelmäßigen Klimakatastrophen Grundbedürfnisse befriedigen und Menschen ein gutes Leben ermöglichen sollen. Das ist angesichts der Weltlage keine schlechte Idee – der Rechtsruck ist in vollem Gange, Umweltkatastrophen werden dank Klimawandel immer häufiger, und weil der Kapitalismus kein stabiles System ist, ist die nächste Wirtschaftskrise nur eine Frage der Zeit.
Dystopien wo man hinschaut
Tatsächlich ist der Aufbau von bedürfnisorientierten Strukturen etwas, was in Krisen und Katastrophen bereits regelmäßig passiert: Beispiele sind die Hilfsstrukturen in den USA nach dem Hurrikan Sandy, in Griechenland im Rahmen der Euro-Krise und in Argentinien rund um die Wirtschaftskrisen des Landes zu Anfang des Jahrtausends. Aber die Dominanz von dystopischen Geschichten in der Popkultur in den letzten Jahrzehnten suggeriert uns täglich, dass in Katastrophen schnell der Kampf aller gegen alle ausbricht. Wenn wir nicht aufpassen, wird diese Erzählung immer mehr zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Wenn alles zusammenbricht – besuchst du deinen Nachbarn dann mit Kuchen oder mit Gewehr? Und was glaubt dein Nachbar wohl, was du dabeihast?
Solarpunk kann helfen, sich die kommenden (oder bereits laufenden) Katastrophen, aber auch die solidarischen Reaktionen darauf konkret auszumalen, statt sie als lähmende und undefinierte Bedrohung im Unterbewusstsein zu behalten. Ein tolles Beispiel ist die Kurzgeschichte The Year without sunshine von Naomi Kritzer (leider bisher nicht auf Deutsch erschienen). Nach einer Naturkatastrophe greifen die alten Versorgungsstrukturen über Supermärkte etc. nicht mehr. Deshalb organisiert sich die beschriebene Nachbarschaft schnell selbst: Die Menschen teilen Vorräte, bauen gemeinsam Gemüse an, errichten ein Windrad, um lebensnotwendige Medikamente zu kühlen, und improvisieren ein pedalbetriebenes Notstromsystem, um die Atemmaschine einer schwerkranken Nachbarin am Laufen zu halten.
In einer eindrücklichen Szene werden zwei Jugendliche von außerhalb durch die Nachbarschaft geführt. Beide können nicht glauben, dass so viele Menschen mit ihrer Pedalkraft eine einfache, kranke Frau am Leben erhalten, und gehen davon aus, dass diese entweder superreich oder irgendwie essenziell für die Gemeinschaft sein muss. Solidarität ist im Neoliberalismus für viele Menschen ein fremdes Konzept, das erstmal misstrauisch macht. Sie müssen sie erst selbst erfahren, um Vertrauen aufzubauen.
Raus aus der Verzweiflung
Solarpunk-Bilder und -Geschichten von wünschenswerten Zukünften können dabei helfen, Menschen für Solidarität zu sensibilisieren, sie für die notwendigen Aufgaben zu begeistern und sie aus ihrer lähmenden Verzweiflung zu holen – zumal künstlerische Zugänge (anders als komplizierte linke Theorieblöcke) auch eher für Menschen jenseits der Uni-Bubble verständlich und zugänglich sind. Auch die entstehende Prepping-Bewegung holt Menschen da ab, wo sie gerade sind; sie macht Solidarität und gegenseitige Hilfe erlebbar, statt nur davon zu reden.
Beide Bewegungen bauen also solidarische Räume und Strukturen für die kommenden Katastrophen auf, und sie bemühen sich um Handlungsfähigkeit und Hoffnung in dunklen Zeiten. Viele Synergiepotentiale für den Kampf um bessere Zukünfte!