„Das Ministerium für Zukunft“ von Kim Stanley Robinson

Der neueste Roman von Science-Fiction-Koryphäe Kim Stanley Robinson setzt auf technologische und wirtschaftliche Lösungen auf globaler Ebene. Die titelgebende Institution – das Ministerium für die Zukunft – schafft es reale Machtperspektiven zu entwickeln und über einen jahrzehntelangen Zeitraum erfolgreich für eine Umkehr der Erderhitzung zu kämpfen.

Hitzewellen und die Antwort darauf

Der Roman beginnt schonungslos mit einer erschütternden Hitzewelle in Indien, die Tausende Menschenleben auslöscht – ein Auftakt, der die Dringlichkeit klimatischer Veränderungen unmittelbar erlebbar macht und eigentlich eine Triggerwarnung bräuchte. Die titelgebende Institution, das Ministerium für die Zukunft, wird gegründet, um die Rechte zukünftiger Generationen und nicht-menschlicher Lebewesen zu verteidigen. Anders als bisher existierende UN-Organisationen schafft das Ministerium es, durch geschickte politische Schachzüge reale Macht zu entwickeln und Veränderungen anzustoßen.

Figurenentwicklung ist nicht unbedingt Robinsons Stärke. Zwar gibt es mit Mary Murphy, der Leiterin des Ministeriums, eine Hauptperson, deren persönliche Geschichte als roter Faden dient. Dieser wird aber ergänzt durch eine Vielzahl von Protokollen, wissenschaftlichen Analysen, individuellen Erfahrungsberichten und gedichteten Rätseln aus der Perspektive immaterieller Faktoren wie Photonen, Märkten oder DNA. Das liest sich anfangs ungewöhnlich, aber wenn man mit dem Stil warmgeworden ist, sind diese fragmentarischen Perspektiven tatsächlich ganz interessant.

Wandel von Oben

Das Ministerium thematisiert eher Wandel auf politischer, wirtschaftlicher und technokratischer Ebene. Es gibt eine Handvoll Beschreibungen von Graswurzel-Lösungen – eine Rückkehr zu Segelschiffen, kollektive Wohnformen und die Austestung eines Lebensstils, der pro Person nur 2000 Watt im Jahr verbraucht. Es gibt außerdem eine globale terroristische Bewegung, die bekannte, hochprofilige Klimasünder ins Visier nimmt und den weltweiten Flugverkehr lahmlegt.

Aber die meisten Ideen im Roman werden von Regierungen, Zentralbanken und ähnlichen Akteuren umgesetzt. Manche halten es deswegen nicht für Solarpunk. Ich kann das nachvollziehen – diese Ebenen der Macht sind weniger zugänglich, oft auch unsympathisch. Aber ich halte es leider für sehr unwahrscheinlich, dass die notwendige Transformation ohne diese systemischen Komponenten möglich ist.

Wir brauchen vermutlich beides – Graswurzelbewegungen und institutionellen Wandel. Deswegen bin ich froh, dass Robinson einige der letzteren Lösungen thematisiert. Robinson wird eher zum „hard scifi“ gerechnet, ist also extrem akribisch in seiner Recherche der naturwissenschaftlichen Fakten und auch der wirtschaftswissenschaftlichen Ideen (ich weiß, ihr würdet auch gerne zu den Naturwissenschaften gerechnet werden – seid ihr aber nicht, sorry).

Es geht also unter anderem um Wasser-Pumpanlagen in der Arktis, die das Eisschild wieder aufbauen und so die Sonnenreflexion erhöhen, und Geoengineering-Maßnahmen mit Sulfiten in der Atmosphäre, um die Erde zu kühlen. Ja, ich wünschte, wir würden ohne solche Maßnahmen auskommen. Ich befürchte, wir werden es nicht.

Carbon Coins

Ein (für mich als Ökonomie-Nerd) spannender Ansatz ist die Einführung einer weltweiten blockchainbasierten Parallelwährung, der Carbon Coins. Diese werden von der UN neu geschöpft und global als finanzieller Anreiz für Maßnahmen ausgezahlt, die messbar Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden. In einer eindrücklichen Szene erfährt ein Bauern-Ehepaar aus Kenia von dem Programm und bewirbt sich dafür; in Handarbeit arbeiten die beiden Tierdung in den Boden ein, tragen einen kleinen Teil zum Wandel bei – und verdienen damit mehr, als sie im Leben für ihre Agrarprodukte bekommen haben.

Das ist die Art von dezentraler Lösung, die eine effiziente Chance im Kampf gegen den Klimawandel bieten würde. Und Robinson thematisiert auch die schwierigen politischen Prozesse, die erforderlich wären, um die nationalen Zentralbanken davon zu überzeugen, diese zu unterstützen – schließlich müssten sie dafür ihr Monopol auf Geldschöpfung im Sinne einer nachhaltigen Zukunft aufgeben.

Das Ministerium zeigt: Lösungen für die Klimakrise wären da – wir können sie nur nicht umsetzen, solange konsequent kurzfristige, egoistische Interessen priorisiert werden. Darin liegt die Hoffnung, aber auch die Verzweiflung dieses Buchs, und letztendlich unserer Welt.

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