In Stardew Valley baut ihr eure eigene Farm auf und werdet Teil einer sympathischen Dorfgemeinschaft. Das Spiel macht Lust auf Gemüsebau und Landleben, könnte aber in einigen Aspekten noch transformativer sein.

Intro
Stardew Valley war ein Überraschungshit in der Spieleindustrie. Das Spiel wurde von einer einzigen Person über vier Jahre erdacht, entwickelt und umgesetzt. Es ist inzwischen auf allen Plattformen verfügbar und gilt als eins der meistverkauften Videospiele aller Zeiten.
Stardew Valley gilt als cozy game – das Spieltempo ist gemächlich und wenig actionreich
Die (frei konfigurierbare) Hauptfigur erbt eine verwilderte Farm, kündigt ihren Job und zieht ins Sternentau-Tal, um den Hof wieder auf Vordermann zu bringen. Zur Story gehört auch der dubiose Joja-Konzern, der ins Tal expandieren und Profit aus den Bewohner:innen schlagen will.
Move slowly and plant things1
Die Bewirtschaftung der Farm ist der zentrale Spielmechanismus. Je nach Jahreszeit sind unterschiedliche Sorten verfügbar. Die Spielerin muss Felder anlegen, Gemüse und Obst anbauen, die Pflanzen gießen und düngen. Die Ernte kann entweder an Dorfbewohner:innen verschenkt werden, um Beziehungen aufzubauen, oder verkauft werden. Mit dem so verdienten Geld können dann beispielsweise weitere Samen gekauft und später auch Strukturen zur Tierhaltung gebaut werden.
Zusätzlich können Produkte weiterverarbeitet werden, und später können zum Beispiel auch Bewässerungsanlagen das regelmäßige Gießen übernehmen. Für Abwechslung sorgen Minispiele wie Angeln. Außerdem kann man eine Mine erkunden, in der man sich mit einem Schwert riesige Käfer vom Leib halten muss um an seltene Erze zu gelangen.
Es braucht ein Dorf
Im Dorf wohnen noch etwa drei Dutzend anderer Menschen, die euch überwiegend freundlich aufnehmen. Sie brauchen manchmal Hilfe, wünschen sich bestimmte Gemüsesorten von euch oder feiern Dorffeste. So kann man mit ihnen man über die Zeit Beziehungen aufbauen. Wenn diese Beziehungen eng genug werden, kann man die Person auch heiraten (das Geschlecht ist dabei egal).
Es gibt viele solidarische Momente im Laufe des Spiels; so wird Linus, der kaum Geld hat und nachts in Mülltonnen nach Essen sucht, von seinen Nachbar:innen mitverpflegt, als diese ihn entdecken; ihr selbst werdet zudem eingespannt, um zum Beispiel den kaputten Dorfbus oder das Gemeindezentrum zu reparieren.
Für eine Stardew Valley Kommune
Ich mag Stardew Valley. Die Landwirtschaft macht Spaß, das Spiel sieht toll aus und klingt schön, die Dorfgemeinschaft ist sympathisch. Trotzdem hab ich mir beim Spielen häufiger vorgestellt, wie das Zusammenleben noch solidarischer sein könnte. Letztendlich verbleibt das Spiel nämlich in vielen Aspekten individualistisch – ihr habt euren eigenen Hof, euer eigenes Geld, eure eigenen Anlagen, und müsst nur mit den Bewohner:innen interagieren, wenn es euch passt.
Klar, ihr erarbeitet euch euren Wohlstand – aber ihr habt ja auch die Voraussetzungen dafür. Es gibt zwar später die Möglichkeit, andere Dorfbewohner:innen in die eigene Farm zu integrieren – diese arbeiten dann aber für euch und sind weder am Besitz noch an Entscheidungen beteiligt. Linus wird eben kein Anteil an einem Hof geschenkt, sondern eher Almosen.
Könnte ein Spiel über diese Ideen hinausgehen? Wie wäre es zum Beispiel, wenn eure Ernte direkt in die Gemeinschaft fließen könnte – einfach, um alle zu ernähren? Wenn ihr zusammen die Äcker bewirtschaften würdet? Wenn statt Geld eine Schenk- und Umsonstwirtschaft etabliert würde, basierend auf gegenseitigem Vertrauen, demokratisch-kollektiven Entscheidungen und einer Orientierung an den Bedürfnissen der Dorfbewohner:innen? Und könnten die individuellen Beziehungen zu den einzelnen Dorfbewohner:innen auch durch ein Gruppengefühl ergänzt werden?
Spiele leben oft von dem Gefühl, Fortschritte zu machen. Wie könnten Spielmechaniken aussehen, die das erhalten und euch für die „Arbeit“ belohnen, auch wenn das Geld nicht in die eigene Tasche fließt und die Gebäude allen gehören? Würden das überhaupt noch viele Leute spielen, oder wäre das abschreckend oder zu abstrakt?
Videospiele sind Kunst
Videospiele sind in meinen Augen eine Art von Kunst, die durch die aktive Rolle der Spielerin sehr immersiv wirken. Und sie inzwischen ein etablierter Markt mit größerem Umsatz als die Musikindustrie. Außerdem sind sie auch ein Spiegel der Gesellschaft – Cosy Games wie Stardew Valley wurden gerade in der Coronazeit zum Hit, weil sie ein Bedürfnis nach Entspannung, Natur und Selbstwirksamkeit befriedigten.
Ein Spiel, das gute Antworten auf die oben genannten Fragen findet und gleichzeitig tolle Spielmechaniken entwickelt, könnte wirklich transformativ wirken und Menschen helfen, sich solidarischere Zukünfte vorzustellen. Bis dahin baue ich trotzdem weiter meine Farm aus und erfreue mich am Landleben.
- Ein beliebter Solarpunk-Slogan, übersetzt etwa: Beweg dich langsam und pflanze etwas an. Angelehnt an das damalige Facebook-Motto „Move fast and break things“ ↩︎