Solarpunk im Weltraum

Biologisch gewachsene Häuser, eine 3D-Drucker-getriebene, autarke Kreislaufwirtschaft, virtuelle Netzwerke, die demokratische Strukturen unterstützen: „Planetfall“ von Emma Newman hat vieles, was Solarpunk-Herzen höher schlagen lässt, und ist außerdem spannend und mitreißend geschrieben!

Ausschnitt des Buchcovers

Planetfall spielt in einer Weltraumkolonie auf einem nicht näher benannten Planeten. Etwa tausend Menschen haben sich dort niedergelassen und über zwanzig Jahre ein neues Zuhause aufgebaut. Sie haben sich genetisch an den neuen Planeten angepasst (statt ihn nach ihren eigenen Vorstellungen zu terraformen – hi, Elon!), und auch sonst sind sie sehr bemüht darum, das lokale Ökosystem nicht mehr als notwendig zu verändern.

Luxus-Ökodorf im Weltall

Trotzdem leben sie ein sehr luxuriöses Leben. Das liegt vor allem an der fortgeschrittenen Technologie, die sie von der Erde mitgebracht haben: effiziente 3D-Drucker stehen in jedem Wohnhaus und können Alltagsgegenstände, Kleidung und Nahrung schnell produzieren. Alles, was Menschen nicht mehr brauchen, wird recyclet und die Ressourcen wieder in den Kreislauf eingespeist. Es gibt sogar Drucker auf molekularer Ebene – diese sind allerdings anscheinend ressourcenintensiv, denn sie sind nur kommunal verfügbar, und es gibt lange Wartezeiten für ihre Nutzung.

Ein Highlight ist der Bau eines neuen Hauses, weil dabei deutlich wird, wie klug Hochtechnologie und biologische Prozesse in der Kolonie verwoben sind. Die Gebäude haben eine Grundstruktur aus dem 3D-Drucker, bestehen aber auch aus lebenden Pflanzen; Moos bildet den Teppichboden, leuchtende Pilze ersetzen die Lampen, und die Wände sind mit Algen und Mikroorganismen angereichert, die den Stoffwechsel von innen nach außen übernehmen Strom produzieren. Alle Häuser der Kolonie sind deshalb vollkommen autark.

Auch die Sozialstruktur der Kolonie liest sich bewundernswert. Es gibt eine basisdemokratische Entscheidungsstruktur und ein digitales Kommunikations- und Abstimmungssystem, das an Liquid Democracy der Piratenpartei erinnert. Die Bewohner:innen haben sich kollektive Regeln gegeben und entscheiden gemeinsam, wie Probleme angegangen werden. Geld wird nirgendwo erwähnt, nur kolonieweite Ressourcenstände – der Zugang zu knappen Gütern und Dienstleistungen scheint über Quoten und Wartezeiten geregelt zu sein.

Katastrophen und Intrigen

Wir erfahren außerdem früh, dass die Besiedlung mit einer Katastrophe begann: Bei der Landung ist ein Teil der Crew abgestürzt und wurde nach erfolgloser Suche schließlich für tot erklärt. Eines Tages taucht aber ein Nachfahre von diesen in der Kolonie auf und reißt alte Wunden und Gewissheiten auf.

Die Abgestürzten konnten nicht auf die technologischen Segnungen des Raumschiffs zugreifen und lebten gezwungenermaßen nomadisch als Jäger:innen und Sammler:innen. Ihr Lebensstil steht im scharfen Kontrast zur technologieabhängigen Siedlung.

Die Story und das weitere Worldbuilding ist komplex und meiner Meinung nach ziemlich großartig, weswegen ich hier auch nicht viel spoilern will. Nur so viel: Schnell wird deutlich, dass nicht alles in der Kolonie mit rechten Dingen zugeht. Die Hauptfigur Ren ist traumatisiert, lebt isoliert inmitten der Gemeinschaft, und benötigt eigentlich dringend Hilfe.

Es wird auch klar, dass die Bewohner belogen und manipuliert werden. Die vorhandenen demokratischen Prozesse sind offensichtlich nicht stark genug, um die charismatischen und gewissenlosen Anführer:innen in Schach zu halten.

Technik wird uns nicht retten

Fortgeschrittene Technologie reicht eben nicht, um langfristig eine funktionierende, egalitäre Gemeinschaft aufzubauen. Auch die verheerenden Verhältnisse auf der Erde, die immer wieder angedeutet werden (und in späteren Teilen der insgesamt eher cyberpunkigen Tetralogie noch ausführlicher dargestellt werden), trüben den idyllischen Eindruck – das Paradies ist nur einer ausgewählten Elite von reichen Finanziers und wenigen genialen Wissenschaftler:innen vorbehalten.

Diese haben zudem bei ihrer Abreise dafür gesorgt, dass die von ihnen im Rahmen des Projekts erfundenen Technologien erst nach vierzig Jahren für die Allgemeinheit zugänglich werden. Sie wollten so verhindern, dass diese weiterentwickelt werden können und sie jemand auf dem Weg zum neuen Planeten überholt.

Die Welt von Planetfall ist nicht die glorreiche Zukunft, die ich mir für die Erde wünsche. Aber der Roman gibt tolle Einblicke, wie Natur, Technik und Gesellschaft in Zukunft zusammenwirken könnten.

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